Die diesjährige Ausgrabung konzentrierte sich wiederum auf die beiden Areale Est und Collina. Während im Areal Collina fünf Gräber – davon zwei sogenannte Enchytrismos-Bestattungen – untersucht wurden, konzentrierten sich die Arbeiten im Areal Est auf ein sehr reich ausgestattetes Frauengrab, und ebenfalls eine Enchytrismos-Bestattung die ins 8. Jh. v.Chr. datieren.
Areal Est
Die Enchytrismos-Bestattung (Est 16) lag direkt über dem monumentalen Grab Est 15 und musste daher als erstes ausgegraben werden. Das Frauengrab (Est 15) hat eine Länge von etwa 3,5 Metern und eine Breite von etwa 3 Metern, zudem wurde die Steinabdeckung des Grabes rund 60 cm unter der heutigen Oberfläche gefunden. Zu den gefundenen Beigaben gehören eine Bronzescheibe auf dem Becken der Verstorbenen, ein Schmuckensemble am rechten Oberarm und Hunderte von Bernsteinperlen, die im zentralen Bereich des Grabes in unterschiedlichen Grössen und Formen verteilt waren. Sie gehörten wohl zu verschiedenen Teilen der Tracht und schmückten unter anderem ein Kopftuch. In dem Grab befanden sich auch drei keramische Gefässe aus Feinkeramik, neben einem grossen Vorratsgefäss mit einer kleinen Tasse darin auch ein zweihenkliger Kantharos.
Areal Collina
Im Grab Collina 11 konnte die Bestattung eines 30–40 Jahre alten Mannes dokumentiert werden. Neben der typischen Keramikausstattung des 8. Jh. v.Chr. bestehend aus einem grossen Vorratsgefäss mit einer kleinen Tasse darin wurde ein Eisenobjekt gefunden, das möglicherweise dem Verstorbenen in die Hand gelegt worden war. Die Untersuchung des Gegenstandes ist noch nicht abgeschlossen, es könnte sich jedoch um ein flaches Beil handeln.
Das Kind im Grab Collina 12 ist mit 2–4 Jahren verstorben und überraschte mit aussergewöhnlichen Grabbeigaben. So konnte in der Macchiabate-Nekropole zum ersten Mal ein korinthischer Aryballos gefunden werden, auch die Schale auf hohem Fuss ist bisher einzigartig. Die Funde datieren das Grab vorläufig in die erste Hälfte des 7. Jh. v. Chr.
Im Jahr 2020 konnte die für Juni und Juli geplante Ausgrabungskampagne aufgrund der COVID-Pandemie nicht durchgeführt werden. Anstelle der Ausgrabungen wurde daher beschlossen, im September nicht-invasive Untersuchungen in der Macchiabate-Nekropole durchzuführen. Die Hauptziele der dreiwöchigen Kampagne waren die Durchführung von Oberflächenaufnahmen und die Fortsetzung der topographischen Aufnahmen innerhalb des archäologischen Parks, um das Verständnis der topographischen Organisation und der diachronen Entwicklung des Gräberfeldes zwischen der Eisenzeit und der archaischen Epoche zu vertiefen.
Während der dreiwöchigen Arbeiten wurden auf der Oberfläche des archäologischen Parks mehr als 2’000 Artefakte gefunden, von denen die meisten in die Zeit zwischen dem 8. und 6. Jh. v.Chr. datieren. Ausserdem wurde die topografische Vermessung des Geländes fortgesetzt, wobei mehr als 7’000 Koordinatenpunkte mit dem Tachymeter gemessen wurden. 6’520 Drohnenaufnahmen wurden gemacht, um ein dreidimensionales georeferenziertes Modell zu erstellen.
Die Rekognoszierungskampagne bestätigte die Hypothese, dass das gesamte Gebiet des archäologischen Parks mit Gräbern bedeckt ist. Oft waren die Funde ohne oberflächlich erkennbaren Kontext. Einige Bereiche zeichnen sich jedoch durch Funde aus, die noch in Beziehung zu ihrem ursprünglichen Liegekontext stehen. Trotz des noch vorläufigen Standes der topographischen Forschung lassen sich bereits jetzt einige Vorstellungen über die Entstehung und Entwicklung der Nekropole in der Eisenzeit und in der Archaik formulieren. Eine Konzentration archaischer Materialien im südlichen Teil der Nekropole zeichnet sich anhand der vorliegenden Daten ab. Der wichtigste Fund der Herbstkampagne 2020 sind die attischen Keramikscherben, die im südwestlichen Teil der Nekropole auftauchten. Dies ist der erste Nachweis attischer Keramik in der Nekropole.
Während der elften Ausgrabungskampagne konzentrierten sich die Arbeiten auf die Areale Est und Collina. Während der Kampagne wurden die Ausgrabungen im Areal Est fortgesetzt, wo im letzten Jahr anthropogene Steinstrukturen entdeckt wurden, die in diesem Jahr zur Entdeckung eines männlichen Grabes aus der ersten Hälfte des 7. Jh. v.Chr. führten (Est 14). Im Areal Collina wurden während der fünfwöchigen Kampagne zwei Gräber mit Körperbestattungen und Beigaben (Collina 4 und 7), drei Enchytrismoi (Collina 5, 6, 8), mehrere Gefässe und einige Knochenfragmente ohne klar erkennbaren Grabzusammenhang ausgegraben. Die Funde des Areals Collina werden auf das 7. bis 6. Jahrhundert v. Chr. datiert.
Areal Est
Das Grab Est 14 wurde in einer Tiefe von etwa 60 cm unter der heutigen Oberfläche gefunden. Die Grabbeigaben bestehen aus einem Kantharos und einer eisernen Lanzenspitze, die auf einer höheren Ebene gefunden wurden, sowie aus einer mit einer Schale bedeckten Hydria in der Nähe der Beine des Verstorbenen. Das Grab Est 14 ist von grosser Bedeutung für die Rekonstruktion der antiken Topographie des Gebietes, aber auch für die Rekonstruktion der chronologischen Entwicklung des gesamten Gräberfeldes. Zum ersten Mal konnten wir eine recht hohe und damit repräsentative Stratigraphie über einer Bestattung dokumentieren. Den stratigraphischen Daten zufolge war das Grab Est 14 neben der üblichen Steinverfüllung und -abdeckung mit einer Erdschicht und darüber einer Schicht aus runden und eckigen Kieselsteinen bedeckt. Wie diese Stratigraphie zu interpretieren ist, muss in Zukunft noch geklärt werden.
Areal Collina
Von grossem Interesse sind auch die Untersuchungen im Areal Collina, die sich bisher auf die archaische Zeit beziehen. Die beiden Körpergräber Collina 4 und Collina 7 ergänzen die letztjährigen Ergebnisse aus den Gräbern Collina 1 und Collina 2. Während wir auf die Restaurierung der Materialien im Archäologischen Nationalmuseum in Sibari warten müssen, um Collina 4 zu datieren, ordnet die Entdeckung von drei kugelförmigen Aryballoi in Collina 7 diese Bestattung in die gleiche chronologische Reihe wie die Gräber Collina 1 und 2 ein. Das Vorhandensein einer eisernen Lanzenspitze im Grab Collina 7 ist daher von grosser Bedeutung. Trotz der Schwierigkeiten, die Bestattungen in der Menge der Steine genau abzugrenzen, war am Ende der zweiten Kampagne eine Ansammlung archaischer Bestattungen mit mindestens sechs Inhumierungen (Collina 1, 2, 4, 7, 9, 10) und vier Enchytrismoi (Collina 3, 5, 6, 8) in der oberen Schicht des Hügels sichtbar.
Das Auftauchen früherer Gräber direkt unter Collina 4 (Knochen) und vielleicht auch Collina 7 (Bronze- und Eisenspiralen) könnte auf eine wohlüberlegte Auswahl des Bestattungsplatzes in der Nähe von früheren Gräbern, vielleicht von Vorfahren, hinweisen.
Die zehnte Basler Grabungskampagne in der Macchiabate-Nekropole von Francavilla Marittima führte zur Entdeckung und Freilegung von vier Bestattungen in zwei unterschiedlichen Arealen des Gräberfeldes.
Eine Spinnerin im Areal Est?
Im Areal Est wurden während der Kampagne im Sommer 2018 die Gräber Est 12 und Est 13 ausgegraben. Während das Grab Est 13 einem 9 bis 12-jährigen Kind gehörte und nur wenige Beigaben enthielt, war in Grab Est 12 eine 15 bis 20-jährige Frau mit reichem Bronzeschmuck bestattet. An ihrer rechten Körperseite fanden sich über 30 Spinnwirtel aus Impasto (schlecht gebrannter Ton), die vermutlich in einem Säckchen oder einem Korb neben der Verstorbenen deponiert worden waren. Zusammen mit drei grossen Webgewichten, die verstreut im Grab zum Vorschein kamen und stellvertretend für den Webstuhl als ganzes stehen, deuten die Spinnutensilien darauf hin, dass die Verstorbene mit der Herstellung und Verarbeitung von Textilien eine wichtige Rolle in der Gesellschaft erfüllte. Zeitlich datiert das Grab in die 2. Hälfe des 8. Jahrhunderts v. Chr.
Neues Areal Collina
Während der Kampagne 2018 begann das Basler Team mit der Erforschung eines neuen Bestattungsareals mit dem Ziel, die Entstehung und Entwicklung eines über mehrere Generationen verwendeten Grabhügels zu verstehen. Ausgewählt wurde eine hügelartige Geländeformation westlich der Areale Est und Strada, die den Namen «Collina» erhielt. Die Identifizierung der Gräber erwies sich in diesem Fall als schwierig, da der Hügel von Steinen überhäuft und offenbar an der Oberfläche stark erodiert war. An verschiedener Stelle fanden sich dicht unter der Oberfläche stark zerscherbte Gefässe, ohne dass jedoch ein Grabzusammenhang erkennbar war. Erst in etwa 30 Zentimeter Tiefe konnten zwei Gräber identifiziert werden, Collina 1 und Collina 2. In beiden waren erwachsene Personen von 30 bis 50 bzw. 40 bis 60 Jahren bestattet, deren Geschlecht anthropologisch nicht bestimmbar war. Anhand der Beigaben lassen sie sich in das spätere 7. oder frühe 6. Jahrhundert v. Chr. datieren. Sie gehören damit einem deutlich jüngeren Zeithorizont an als die bisher untersuchten eisenzeitlichen Gräber, ein Sachverhalt, der sich nicht zuletzt darin äussert, dass die Verstorbenen nicht mehr mit seitlich angewinkelten Beinen, sondern in gestreckter Rückenlage und ausschliesslich mit keramischen Beigaben beigesetzt wurden.